Cheddar: Mehr als Schmelzkäse
Cheddar ist in aller Munde. Der beliebte Käse gehört zu den meistverkauften Käsesorten überhaupt und wird auf der ganzen Welt in verschiedenen Versionen hergestellt. Die meisten Menschen kennen ihn als knallorangen Schnitt- oder Schmelzkäse, mit richtigem Cheddar hat das aber wenig zu tun. Ursprünglich stammt dieser aus dem Südwesten Englands, wo heute noch der mit dem Qualitätssiegel PDO geschützte »West Country Farmhouse Cheddar« produziert wird.
Benannt ist der Käse nach der Ortschaft Cheddar in der Grafschaft Somerset. Eine Gegend, die sich mit ihren saftigen Wiesen perfekt für die Haltung von Kühen eignet, deren Milch die Basis für den schmackhaften Käse liefert. In der Nähe des Städtchens befindet sich auch die »Cheddar Gorge«, eine eindrückliche Schlucht, die von Höhlen durchzogen ist. Dort wurden früher Milch und Käse gelagert, denn durch die gleichmässige, kühle Temperatur und die hohe Luftfeuchtigkeit wirken die Höhlen wie eine Art natürlicher Kühlschrank. Die Käseherstellung hat in der Gegend lange Tradition: Bereits im zwölften Jahrhundert bezeichnete der damalige König Heinrich II. Käse aus Cheddar als den »besten Käse Englands«. Es wird ihm nachgesagt, dass er im Jahr 1170 über 10.000 Pfund davon für sich und seinen Hofstaat kaufte – Heinrich II. war also ein echter Cheddar-Fan. Auch unter seinen Nachfolgern blieb der Käse aus Somerset beliebt. So bekam Königin Viktoria etwa zu ihrer Hochzeit einen Cheddar-Laib, der eine halbe
Tonne wog.
so entsteht der cheddar
Wie so häufig bei Produkten mit langer Tradition gibt es auch zum Cheddar eine romantische, doch wenig plausible Entstehungsgeschichte: Ein Milchmädchen soll einstmals einen Topf Milch in einer Cheddar-Gorge-Höhle vergessen haben. Nach ein paar Tagen schaute sie nach und sah, dass daraus Käse geworden war. Ganz so einfach ist die Herstellung von Cheddar jedoch nicht, es braucht dafür viel Fingerspitzengefühl, Kraft und Know-how. Der Produktionsprozess für West Country Farmhouse Cheddar beginnt mit frischer lokaler Kuhmilch, die manchmal vor dem Weiterverarbeiten pasteurisiert wird. Der warmen Milch wird eine Bakterienkultur zugegeben, die sie fermentiert und so den Geschmack und die Konsistenz des fertigen Käses beeinflusst. Anschliessend kommt Lab hinzu, durch welches die Milch gerinnt: Sie nimmt eine gelartige Konsistenz an und wird so zur Dickete oder Gallerte. Der Käser zerkleinert diese, wodurch er den flüssigen Teil der Milch – die Molke – vom festen Teil – dem Käsebruch – trennt. Anschliessend wird das Gemisch unter ständigem Rühren auf rund 40 Grad Celsius erwärmt. Während dieser Zeit fermentiert das Molke-Bruch-Gemisch weiter und wird leicht sauer. Wenn der gewünschte Säuregehalt erreicht ist, wird die Molke abgelassen. Zurück im Kessel bleibt der Käsebruch, der allmählich zu einer festen Masse verschmilzt.
Das »Cheddaring«
Sobald diese Masse abgekühlt ist, zerschneidet der Käser sie in große, rechteckige Stücke, um sie für den nächsten Schritt in der Käseherstellung vorzubereiten: das »Cheddaring«. Dabei werden die Käsebruch-Rechtecke mehrmals gewendet und übereinander gestapelt. Das Ziel bei diesem Arbeitsschritt ist, so viel Molke wie möglich aus dem Bruch zu entfernen. Während des Cheddarings wird erneut der Säuregehalt gemessen. Hat dieser den gewünschten Wert erreicht, werden die grossen Rechtecke zum Zerkleinern durch eine Art Mühle gepresst und die entstehenden kleinen Käsebruchstücke gleichmässig gesalzen. Die Stückchen kommen dann in Käseformen, die ursprünglich zylinderförmig, heute aber auch oft quaderförmig sind. In beiden Fällen wird der Käse jetzt gepresst, um den Käseteig weiter zu trocknen. Wie es nach der Pressung weitergeht, unterscheidet sich je nach Form. In traditionellen Käsereien werden die Zylinder mit einem in Schweinefett getränkten Musselintuch umwickelt. Es kann aber auch pflanzliches Fett verwendet werden, wenn der Käse vegetarisch sein soll. In beiden Fällen unterstützt das gefettete Musselintuch die Bildung einer Käserinde und schützt den Laib vor dem Austrocknen sowie vor Schimmel und Schädlingsbefall. Die Laibe lagern dann mindestens neun Monate in temperaturkontrollierten Reifekellern. Vor dem Verkauf wird der Käse zerteilt, dafür wird das Tuch und meistens auch die Käserinde entfernt.
Vor allem für Supermärkte und Grossverteiler werden viereckige Cheddar-Laibe hergestellt, die keine Rinde besitzen und einfach mit möglichst wenig Abfall zerteilt und verpackt werden können. Aus diesem Grund wickelt der Käser die Käseform nach dem Pressen in eine halbdurchlässige Folie ein, welche die Schutzfunktion der natürlichen Rinde übernimmt. Auch hier beträgt die Reifezeit mindestens neun Monate, kann aber an die Wünsche der Kunden angepasst werden. Verpackt wird er heute meist in Plastik, manchmal wird allerdings auch eine Wachsschicht aufgetragen, die den Käse vor Austrocknung, Oxidation und Schimmelbefall schützt.
Weltenbürger Cheddar
Dank der Beliebtheit von Cheddar in England verbreitete er sich schnell im restlichen Vereinigten Königreich und in Irland. Es blieb jedoch nicht bei den Britischen Inseln, denn mit der Ausdehnung des Imperiums verbreitete sich der Käse auf der ganzen Welt. Besonders beliebt ist er bis heute in den Vereinigten Staaten: Nach Mozzarella ist Cheddar der meistkonsumierte Käse der USA. Die erste Käsefabrik der Welt wurde 1851 im Staat New York eröffnet – sie stellte Cheddar her. Auch heute noch wird viel amerikanischer Cheddar industriell gefertigt, es gibt aber auch viele kleine, handwerklich arbeitende Käsereien. Mit dem englischen Original gemeinsam hat amerikanischer Cheddar die Basis aus Kuhmilch, die in der Regel pasteurisiert wird, und den Cheddaring-Prozess. Allerdings wird er meist als Schnittkäse hergestellt und selten im Tuch gereift. Zu den Ausnahmen zählt der ausgezeichnete Murray’s Stockinghall Cheddar aus New York.
In den USA wird Cheddar oft orange eingefärbt, meist durch die Zugabe des natürlichen Farbstoffs Annatto. Dieser Brauch stammt aus einer Zeit, in der ein orangefarbener Käse mit der reichhaltigen Sommermilch weidender Kühe in Verbindung gebracht wurde. Diese ist nämlich besonders reich an Beta-Carotin, was dem Käse einen leichten Gelb- oder Orangestich verleiht. Mit dem Einfärben sollte der Konsument früher über eine etwaige mangelnde Milchqualität hinweggetäuscht werden. Heute steckt dahinter aber meist Traditionsbewusstsein. Da es Cheddar in unzähligen Varianten gibt, gibt es auch unzählige Verwendungsmöglichkeiten für ihn. Amerikanischer Cheddar kommt bei Comfort Food wie Burgern und »Mac and Cheese« zum Einsatz. Handwerklich hergestellter Cheddar schmeckt göttlich: Er ist mild und trotzdem geschmacksintensiv und wird daher gerne auch für sich alleine oder mit einem Stück gutem Brot und etwas Butter genossen.
Verwandte Sorten
Hartkäse mit vielen Gesichtern
In England gibt es einige Käsesorten, die dem Cheddar ähneln. Am bekanntesten ist der Red Leicester, benannt nach der gleichnamigen Stadt nördlich von London.
Man erkennt ihn an seiner orangen Farbe. Diese wird durch die Zugabe von Annatto erreicht, einem natürlichen Farbstoff. Wie Cheddar wird er während seiner
Reifezeit in ein mit Schweinefett getränktes Musselintuch eingewickelt. Ein weiterer Verwandter von Cheddar ist Cantal, der manchmal als »französischer
Cheddar« bezeichnet wird. Dieser aus Frankreichs Zentralmassiv stammende Kuhmilchkäse wird während seiner Herstellung einem Prozess unterzogen, der dem
Cheddaring ähnelt. Dabei werden grosse, rechteckige
Käsebruch-Blöcke zehn bis 24 Stunden gelagert und vor der Weiterverarbeitung wieder zerkleinert.raf
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