Weinbereitung ist ein völlig natürliche Vorgang
Anders als das Bierbrauen ist die Weinbereitung ein völlig natürlicher Vorgang, der im strengen Sinn keiner Handlungen seitens des Menschen bedarf. Für die Entstehung von Wein ist es lediglich erforderlich, dass der Saft reifer Trauben mit in der Umgebungsluft lebenden Hefen in Berührung kommt. Es lässt sich daher sagen, dass die Weinbereitung nicht vom Menschen erfunden wurde, sondern dass sich dessen Rolle sehr viel bescheidener auf die Beaufsichtigung und Verfeinerung des Vorgangs beschränkte.
Traubensaft vergärt sehr schnell, wenn also Trauben beispielsweise von Wildreben vorhanden sind, kann Wein in wenig mehr als einem Tag bereitet sein. Sesshaft betriebener Ackerbau ist daher keine Bedingung für die Weinerzeugung.
Nomadenstämme, die weder Korn noch Hülsenfrüchte anbauten, weil sie nicht lange genug an einem Ort verweilten, konnten dagegen sehr wohl Wein hervorbringen.
Infolgedessen ist es unmöglich, den genauen Zeitpunkt der Anfänge der Weinbereitung zu ermitteln.
Die einzige sichere Annahme, die man treffen kann, ist in Anbetracht des bei Affen beobachteten Verhaltens, sich gärende Früchte zu suchen, die, dass die Weinbereitung genauso alt ist wie die Menschheit selbst, vorausgesetzt, dass die ersten Menschen dort lebten, wo es Trauben gab.
Was für Trauben können das gewesen sein? Heutiger Wein wird allgemein von VINIFERA-Trauben erzeugt, doch auch andere Rebenspezies bringen Wein hervor.
Seit prähistorischer Zeit war Weinbereitung möglich, wo immer Menschen und Trauben zusammenkamen. Es gibt jedoch kaum Zweifel daran, daß von allen Rebenspezies gerade VITIS VIVIFERA am besten für Wein geeignet ist, da sie über die größten und süßesten Beeren verfügt. Der Ursprung von Vitis Vinifera wird in Transkaukasien südlich vom Schwarzen Meer vermutet – in den heute umstrittenen Gegenden Georgiens und Armeniens. Dort gab es um jene Zeit die vielfältigste menschliche Population und damit die größte Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch sich die Traube zu nutze machte.
Erstaunlich ist dabei die Nähe dieser Gegend zum Berg ARARAT, wo der mystischen Darstellung der Bibel zufolge die Arche nach der Sintflut landete und Noah den ersten Weinberg pflanzte und den ersten Wein bereitete.
Die Details des biblischen Berichtes können nicht stimmen.
Denn ebenso wenig wie die Weinbereitung die Erfindung eines einzelnen Menschen war, sowenig war es nötig, einen Weinberg anzupflanzen, wenn man Wein bereiten wollte.
Das Anpflanzen eines Weinbergs setzt eine Sesshafte Lebensweise voraus, die einem weit fortgeschritteneren Stadium zivilisierten Daseins entspricht als das der Nomaden oder auch der ersten Ackerbauer, die lediglich für ihren unmittelbaren Lebensunterhalt arbeiteten: Schafe und Ziegen brauchen nur wenig Pflege, und Korn und Hülsenfrüchte, die im Nahen Osten schon einige Monate nach der Aussaat geerntet werden können, sind keine arbeitsaufwendigen Feldfrüchte, nach der Ernte kann auch der Ackerbauer mit seinen Haustieren weiterziehen.
Die Archäologen vermuten, daß um 7000 v. Chr. solche nomadischen Ackerbauer im Nahen Osten sich mit Kornanbau und Viehzucht beschäftigten.
Das Heranzüchten von Obstbäumen dagegen setzt eine ganz andere Art der Existenz voraus. Die ersten Wildfrüchte, die im Nahen Osten domestiziert wurden, waren die Feige, die Dattel, die Olive und die Weintraube. Obstbäume müssen gepflanzt, gepfropft und geschnitten werden, und sie brauchen Jahre, bis sie Früchte tragen. Die Weinrebe und die Feige beginnen nach drei Jahren, die Dattelpalme nach fünf und der Olivenbaum nach fünf bis sechs Jahren zu tragen – doch bei der Olive dauert es 25 Jahre, bis sie vollen Ertrag bringt.
Anders als Korn und Hülsenfrüchte können fruchttragende Bäume also von Generationen von Ackerbauern genutzt werden, die stets auf demselben Stück Land blieben. Die zielbewusste Kultivierung von langfristig nutzbaren Pflanzen wie der Weinrebe setzt daher eine vollständig Sesshafte Lebensweise und ein komplexes soziales und ökonomisches Gefüge voraus, in dessen Rahmen eine Generation ihren Besitz der nächsten hinterlässt. Dieses Stadium war möglicherweise im 4. oder 5. Jahrtausend v. Chr. erreicht.
Das Sammeln von Beeren in der Wildnis und die Bereitung von Wein aus diesen Beeren ist eine Zufallstätigkeit, systematischer Weinbau verlangt dagegen Zeit, Überlegung und Sachkönnen.
Leider sind vom frühen Weinanbau nicht viele Reste gefunden worden, doch die Radiokohlenstoffdatierung der wenigen Funde legt die Vermutung nahe, dass Vitis Vinifera im 4. Jahrtausend v. Chr. kultiviert wurde, es gibt jedenfalls keine Beweisstücke für eine frühere Kultivierung.
Diese Funde stammen aus Ägypten und Syrien im damaligen Mesopotamien. Dagegen wurden die ältesten Vinifera-Reste, die in der Ägäis – im antiken Griechenland und auf den Inseln – gefunden worden sind, auf 2500 v. Chr. datiert.
Allerdings ist die Kultivierung von Vitis vinifera nicht unbedingt identisch mit Weinbereitung. Schließlich können Oliven und Trauben auch als Früchte verzehrt werden. Allerdings lag es durchaus nahe, sie zu pressen und aus Traubensaft läßt sich leicht Wein bereiten; Olivenöl kann zur Zubereitung von Speisen, aber auch als Badezusatz und als Leuchtmittel in Öllampen benutzt werden.
Die Archäologen haben Überreste von Pressen aus der Bronzezeit gefunden, d.h. etwas zwischen 3000 bis 1050 v. Chr., Funde von ausgepressten Traubenschalen zusammen mit Kernen und Stielen aus Mythos auf Kreta aus der frühminoischen Kultur – etwas 3000 v. Chr. beweisen, dass Früchte für die Weinbereitung und nicht nur für den Frischverzehr genutzt wurden.
Doch der älteste Beweis ist nicht eine Traubenschale oder ein Traubenstiel oder ein Kern: Es ist vielmehr ein Weinfleck.
In den 1970 er Jahren wurde in Godin Tepe – Iran – eine persische Amphore aus der Zeit von 3500 v. Chr. gefunden. Die chemische Analyse eines Flecks im Inneren des Gefäßes ergab, dass dieser sowohl Tannine als auch Weinsäure enthielt, was daraus schließen lässt, dass in dieser Amphore Wein enthalten gewesen sein muss.
Diese verschiedenen Beweisstücke zusammengenommen zeigen, daß die Rebe zum Zwecke der Weinbereitung zuerst in einer Gegend südlich zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer mindestens im 4. Jahrtausend v. Chr. domestiziert war- im darauf folgenden Jahrtausend ihre Kultivierung sich westwärts nach Ägypten und zur Ägäis ausgebreitet hat.
Archäologische Forschungen zu Anfang der 1990er Jahre belegten schließlich, dass der Weinbau nicht von den Griechen in Italien eingeführt wurde. Die Etrusker, die im westlichen Teil Mittelitaliens zwischen Arno und Tiber saßen und deren Kultur seit
dem 8. Jh. v. Chr. bis in das 4. Jh. v. Chr. blühte, als die schließlich von den Römern unterworfen wurden, kultivierten bereits Vinitis vinifera, die in Italien schon seit Tausenden von Jahren wild wuchs.
In Frankreich wurde der Weinbau durch griechische Kolonisten eingeführt, die dort um 600 v. Chr. Massalia – das heutige Marseilles – gründeten.
Wie ihre Landsleute in Italien brachten sie vermutlich ihre eigenen Rebenstecklinge mit und nutzten möglicherweise außerdem die in der neuen Gegend wild wachsenden Reben. Später, im 1. und 2. Jh. v. Chr. wurde der Weinbau in Europa durch die Römer verbreitet und
gelang natürlich dadurch auch zu uns nach Württemberg.
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