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Adventszeit - wo, wie, was?

Weihnachtsgebäck - Adventszeit? - mehr erfahren.

Die Rezepte unseres Weihnachtsgebäcks werden seit Generationen weitergegeben.

Neue Rezepte, die zur Tradition werden, kommen praktisch nicht hinzu.

Um fast alle traditionellen Rezepte ranken sich Legenden, wie sie erfunden worden sein sollen. Diese Legenden stammen meist aus dem Neunzehnten Jahrhundert, was an der Wahrheit dieser Geschichten zweifeln lässt.

Sie liefern vor allem dafür keine Erklärung, warum sie ausgerechnet in der Adventszeit hergestellt werden. Die Tradition, an heiligen Festen bestimmtes Gebäck zu backen, ist viel älter.

Das Adventsgebäck tradiert eine Symbolik, die aus vorchristlicher Zeit stammt, auch wenn die Zutaten oft exotische Gewürze sind.

Die Namen und die Gestaltung des Adventsgebäcks kann uns viel über uralte Glaubensvorstellungen erzählen.

 

Hilda-Plätzchen

Die Hilda-Plätzchen sollen erstmals zu Ehren der Großherzogin von Baden, Prinzessin von Nassau Hilda (1864-1952) gebacken worden sein.

Die Großherzogin war evangelisch, mit dem Großerbherzog Friedrich verheiratet und blieb kinderlos. Ihr zu Ehren wurde 1886, als sie 22 Jahre alt war, ein Turm auf dem Freiburger Lorettoberg gebaut, der Hildaturm. Mit diesem Bau wurde ihr eine madonnengleiche (Ver-)ehrung zuteil.

Der Lorettoberg bildet zusammen mit dem höheren Schauinsland ein Massiv.

Er hieß noch im Mittelalter "Josephsbergle", und es wurde dort jeden Frühling ein großes Fest gefeiert. Es ist daher anzunehmen, dass das Massiv noch in germanisch-alamanischer Zeit der Muttergöttin und ihrem Vegetationsgott geweiht war. Im Jahre 1657 wurde auf dem Josephsbergle eine Marienkapelle erbaut, in der sich auch ein Josephsaltar befindet. Seitdem heißt der Berg Lorettoberg, nach dem Loreto-Heiligtum der Maria in den Marken Nordostitaliens. Die Region ist seit der Jungsteinzeit besiedelt und es ist auch anzunehmen, dass das Massiv schon in dieser Zeit ein heiliger Berg gewesen ist. Der Schauinsland wurde seit dem Mittelalter als Silberbergwerk ausgebeutet. Zu dieser Zeit hieß er Erzkasten. Sein ältester Name ist daher nicht mehr überliefert. Wie bei allen Heiligtümern für die Muttergöttin, wird sich auf ihm ein Heiliger Hain befunden haben. Dessen genetische Nachfahren könnten sich dort bis heute erhalten haben: die sog. Windbuchen, Rotbuchen, die im scharfen Wind bizarre Formen ausbilden. Die ursprünglichen Buchen wurde jedoch spätestens mit Beginn des Bergbaus abgeholzt. Denkbar ist weiterhin, dass die Entdeckung der Silbervorkommen auf eine natürliche Höhle zurückgeht, welche einst eine Kulthöhle - Symbol für den Mutterleib - gewesen sein könnte. Mindestens sind die Stollen Höhlen vergleichbar. Eine natürliche Höhle und sowie Bergbau sind noch heute am Hohen Meißner in der Nähe des Frau-Holle-Teiches nachweisbar.

 

Die germanische Muttergöttin Holle könnte einst Namensgeberin des Schauinsland gewesen sein. Sie gehört zu den älteren vorindoeuropäischen Gottheiten, den Wanen, und wurde auf hohen, häufig in Nebel gehüllten Bergen, was auf den Schauinsland zutrifft, aber auch an Teichen verehrt. Die Muttergöttinnen waren seit alters her dreifaltige Göttinnen, als Göttin des Lebens, des Todes und der Regeneration. So erklären sich die unterschiedlichen Orte der Verehrung, die bei Holle gut belegt sind, so z.B. der Ortsname Hollenberg im Oberbergischen Land und der Frau-Holle-Teich in Nordhessen. Holle ist in ihrem regenerativen Aspekt am bekanntesten und steht dabei mit dem Winter in Verbindung. Ihr Begleittier ist der Hund, der auch als Wolf zu deuten ist. Ihr heiliger Strauch war der Holunder. Der Name Holle ist mit weiteren Namen verwandt: Holda, Hel und Hulda.1

 

Wahrscheinlich hießen die Hilda-Plätzchen in älterer Zeit noch Holle-Plätzchen oder Holda-Plätzchen. Sie symbolisieren die dreifaltige Göttin Holle. Sie bestehen aus drei einzelnen, runden Gebäck-Schichten, die zum Berg aufgetürmt sind. Ganz bewusst werden die Schichten nach oben hin immer kleiner. Sie versinnbildlichen die drei Aspekte der Göttin und bilden eine weibliche Genealogie von Großmutter, Mutter und Enkelin. Zwischen den Schichten befindet sich eine rote, süße Füllung, die meist noch heraustropft. Heute wird dafür Johannisbeergelee genommen, wahrscheinlich wurde dafür in früheren Zeiten auch Holundergelee verwendet. Das Gelee symbolisiert das Blut der Menstruation und der Geburt. Als Abschluss werden die Hilda-Plätzchen mit Puderzucker als Schnee oder Nebel bestreut.

 

Das Knusperhäuschen - aus dem Märchen "Hänsel und Gretel" kennen wir das Hexenhäuschen,

das wir auch Knusperhäuschen nennen. Doch warum bauen wir ausgerechnet an Advent ein solches Häuschen auf, das offensichtlich auf vorchristliche Traditionen zurückgeht. Was hat es mit Weihnachten zu tun?

Das Haus ist ganz aus Lebkuchen gebaut, dem Gebäck, das das Leben symbolisiert und das mit der heiligen Mandel, der Vulva, verziert ist. Es wird mit Zuckerguss und Puderzucker winterlich hergerichtet. Wir empfinden sofort Behaglichkeit und weihnachtliche Stimmung. So wie wir es bauen, ist es kein Ort des Grauens, keine Falle, sondern der Inbegriff des Paradieses.

Es stammt aus der Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, also dürfen wir uns zu Weihnachten etwas wünschen.

 

Das Hexenhäuschen ist der Tempel der Muttergöttin Holle. Im Haus steht der Ofen der magischen Verwandlung von Teig zu Brot (oder zu Plätzchen!). Es ist das Haus der Regeneration des Lebens. Holle ist die Mutter von Hänsel und Gretel, die schon verstorben ist. Auf Holle als Hexe projizieren die Kinder die Trauer um die glückliche Zeit mit ihrer leiblichen Mutter, von der sie sich verlassen fühlen. Die Hexe ist die erste Frau des Vaters, deren Schatten und deren Kinder ihre Nachfolgerin nicht loswird. Auf die Hexe projiziert die Stiefmutter ihren inneren Konflikt, den Frauen nur im Patriarchat erleiden.

Solche kleinen Tempel wurden schon in der Jungsteinzeit aus Ton hergestellt und in Wohnhäusern aufgestellt, die Archäologie nennt sie "Tempelmodelle".

Die lange Tradition des Tempelmodells ist in ganz Europa und sogar in Mesopotamien zu finden. Dort wurden in der Bronzezeit kleine Häuser für die Große Göttin Ishtar auf der Spitze einer sog. Zikkurat errichtet, die in der Fluss-Ebene erbaut wurde und einen Berg nachbildete.

Tempel wurden seit ihrem frühesten Nachweis in der Jungsteinzeit (z.B. Göbekli Tepe, Çatal Höyük) in die Erde gebaut oder in natürlichen Höhlen auf Bergen eingerichtet.

Sie stehen in der Nachfolge der altsteinzeitlichen Kulthöhlen, zu deren ältesten Beispielen der "Hohle Fels" in der Schwäbischen Alb gehört, wo die bislang älteste gefundene Urmutter-Statuette, die Urmutter vom Hohle Fels gefunden wurde.

Überall werden ähnliche Märchen erzählt, z.B. das russische Märchen von Baba Jaga.

Ihre Waldhütte steht auf Hühnerfüßen und ist von weißen Knochen umzäunt. Das Mädchen Wassilissa wird von ihren Stief-Schwestern dorthin geschickt, um das Licht zu holen.

 

In Italien gibt es eine Weihnachtsfrau, die Befana. Ihr Name ist eine Mischform von Epiphanias, dem DREIKönigsfest und von Percht, der alpenländischen Muttergöttin, die weiter nördlich Holle heißt, und mit der sie auch gleichgesetzt wird. Befana bestraft und bringt Geschenke. Sie wird wie eine Hexe dargestellt und reitet auf einem Besen. Trotzdem ist sie - anders als die Hexe in Deutschland - eine positive Gestalt. Den Besen bzw. die Rute und auch Befanas Job hat sich in Deutschland der Weihnachtsmann unter den Nagel gerissen. Der Name der Percht verbirgt sich noch im Knecht Ruprecht.

 

Die Märchen von Hexen im Waldhäuschen wurden in christlicher Zeit immer weiter pervertiert: Die Hexenverbrennung im Ofen, die im Holocaust ihre reale Fortsetzung fand, wird als putziges Diorama auf Weihnachtsmärkten und in Märchenwäldern ausgestellt. Das Knusperhäuschen aber zeigt eine friedliche Szenerie mit den Kindern und einer Hexe, die auch ihre Oma sein könnte. Bemerkenswert ist, dass nicht die Szene der glücklichen Heimkehr zum Vater abgebildet wird.

 

Die christliche Variante des Hexenhäuschens ist keine Kirche, sondern die Krippe, der Ort der Geburt des Menschenkindes durch Maria, die alte vorderasiatische Muttergöttin.

In katholischen Gegenden finden wir Krippe und Hexenhäuschen oft im gleichen Haus. Um die italienische Weihnachtskrippe, die Presepio, wird ein regelrechter Schönheitswettbewerb unter den Nachbarn veranstaltet.

 

Bethmännchen, das in der Frankfurter Region beheimatete Gebäck soll der Legende nach aus dem Hause des Frankfurter Stadtrates und Bankiers Simon Moritz von Bethmann stammen.

Zu ihrer Entstehungsgeschichte sind zwei ähnliche Versionen im Umlauf. Nach der einen Version soll seine Frau an den Marzipanhäufchen für jeden der vier Söhne eine Mandel angebracht haben. Als ein Sohn starb, soll sie eine Mandel weggelassen haben, nun sind es also drei. In der anderen Version soll Bethmanns Koch, der Franzose Jacques Gautenier der Urheber des Gebäcks sein und aus gleichem Grund eine Mandel weggelassen haben.

Beide Versionen sind insofern unglaubwürdig, als dass eine Mutter niemals zulassen würde, dass die Erinnerung an ein verstorbenes Kind ausgelöscht würde. Nicht plausibel ist, dass das Gebäck in nur wenigen Jahren zum Traditionsgebäck wurde, noch dazu an Weihnachten. Was hat diese tragische Geschichte mit Weihnachten zu tun? Bethmann war Banker und nicht Bäcker mit Bäckereigeschäft. Wie und warum also soll sich das Rezept herumgesprochen haben?

Bei den Bethmännchen haben wir es wieder mit der dreifaltigen Göttin zu tun. Hier sind es die Mandeln, die sie symbolisieren. Die Mandel ist ihrer Form wegen als Symbol für den Mutterschoß, die Vulva, ein sehr häufiges Motiv. In der christlichen Ikonografie ist Jesus in der Mandorla bekannt, die ihn als Kind der Jungfrau Maria ausweist. Sein Fisch-Symbol ist eine Kombination aus Mandel-Vulva und Dreieck. Die Vulva ist schon in der Altsteinzeit in Höhlenheiligtümern der Urmutter zu finden. Im Neolithikum ziert sie Keramik und Tonfigürchen der Muttergöttin.

 

Der Name "Bethmännchen" weist ebenfalls auf die dreifaltige Muttergöttin hin, die in christlicher Zeit als die drei Bethen, "die Ewigen", verehrt wurde: Wilbeth, Ambeth und Borbeth.

Bei den keltischen Römern waren sie noch die Drei Matronen. Die dreifaltige Göttin wurde von Männern wie Frauen verehrt. Die Bethmännchen sind schließlich zum Jesussymbol geworden, denn sie werden in der Weihnachtszeit gebacken. Jesus' matrifokale Herkunft ist in seinem Lebensmythos zum Ausdruck gebracht: er hat keinen Vater, aber eine Mutter (Maria) und Großmutter (Anna). Aus der Tochter wurde im Christentum ein Sohn, bzw. ein Männchen.

 

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