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Röstivariationen und die Vorzüge der einzig Echten
SO URSCHWEIZERISCH, wie wir gerne glauben, ist sie gar nicht. An keiner der denkwürdigen Eckdaten unserer Geschichte jedenfalls hätte die Rösti als Festspeise Furore machen können: 1291 beim Rütlischwur harrten die für die Rösti erforderlichen Kartoffeln im fernen Peru noch ihrer Entdeckung, und bei der Gründung des Bundesstaates 1848 waren die Kartoffeln zwar vorhanden - doch kann für diese Zeit die Rösti weder als Name noch als definierte Speise nachgewiesen werden.
Die Bezeichnung kam erst um die Jahrhundertwende auf, und als international anerkannte Spezialität wurde sie gar noch später, möglicherweise erst in den zwanziger Jahren, definiert. Im neuesten Duden nunmehr als «Rösti, die; - (schweiz.): aus besonders dünn geschnittenen oder geraspelten Pellkartoffeln zubereitete Röstkartoffeln.»
Was der Duden nicht nennt ist die Mehrzahlbildung. Denn es gibt ja nicht nur eine Rösti, sondern mehrere: die Appenzeller Rösti mit Zwiebeln, Speckwürfeli und Appenzellerkäse; die Schaffhauser Rösti mit Hörnli; die Glarner Rösti mit Schabzieger; die mit Weisswein beträufelte und mit Greyerzerkäse überbackene Rösti à la romande; die mit Speck- und Zwiebelwürfelchen angereicherte und mit Sbrinz, Knoblauch und Rosmarin gewürzte Tessiner Rösti; die Urner Rösti mit gehackter Zwiebel, geriebenem Bergkäse und Rahm; die knusprig gebratene und vor dem Auftragen mit frischer Butter bestrichene Zürcher Rösti. Und dann gibt es schliesslich noch die Genfer Rösti-Galette aus in viel Butter gebratenen rohen Kartoffeln sowie die Rösti aller Röstis: die Berner Rösti.
Sie, die Mutter aller Röstis, sehen wir mit den Augen des Gastromantikers meist als butterreich und knusprig. So ist sie jedoch nicht, jedenfalls nicht, wenn wir sie als ächti Berner Rösti nach Art der Grossmutter zubereiten.
Glaubt denn einer, die hablichen Bauernhöfe des Emmentals seien ein Geschenk Gottes? Nein, sie waren nebst anderem auch ein Produkt der Sparsamkeit - einer Tugend, entsprechend der die Emmentaler Bäuerin geachtet wurde.
Die Bäuerin nimmt einen Stofflappen und fettet die ausschliesslich für Rösti verwendete Pfanne mit einer Spur Schmutz (Schweineschmalz) oder eingesottener Butter. Dann gibt sie die am Vortag (nicht zu weich) gekochten und frisch geraffelten Kartoffeln hinein und formt sie locker zu einem flachen Kuchen, der einige Minuten auf nicht zu heissem Feuer geprägelt (gebraten) wird. Und jetzt - wichtig! - werden die Kartoffeln mit Wasser beträufelt und die Röstiplatte als Deckel auf die Pfanne gelegt. Nun darf der Röstikuchen noch weitere zehn Minuten braten, dann wird er gewendet und weitere zehn Minuten zugedeckt gebraten. Die Röstiplatte wird beiseite gestellt und der Innenrand der Pfanne mit etwas Butter bestrichen, was dem bräunlich-schwärzlichen Kuchen einen appetitlichen Buttergeschmack verleiht.
Wenn Sämu, der Knecht, sein 25-Jahr-Arbeitsjubiläum hat oder gerade der Hochzeitstag gefeiert wird, dürfen in einem Anflug von Grosszügigkeit noch einige Butterflocken über die Rösti verteilt werden.
Das ist sie, die echte, wirklich wunderbar schmeckende Berner Rösti. Zu Grossmutters Zeiten wurde sie meist mit dem Löffel gegessen und jeweils vorher nach Grossvatersitte in den Milchkaffee getunkt. Das ist heutzutage nicht mehr nötig, denn nunmehr gibt es sie entsprechend unserer Zeit im neuen Outfit: knusprig, goldbuttrig glänzend, allseitig beliebt und magenschwer.
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