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Interview zum 2019 Nobelpreis für Physik

Was ich sah, war komplett verrückt

«Was ich sah, war komplett verrückt»

Vor 20 Jahren entdeckten die Genfer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz den ersten extrasolaren Planeten. 

Fragen und Antworten - so ganz nebenbei erfahren - 

Herr Queloz, als Sie mit Ihrem Doktorat begannen, hatten Sie da die Vision, den ersten extrasolaren Planeten zu finden?

 

Didier Queloz: O nein. Als ich im Jahr 1989 mit meiner Doktorarbeit begann, war es definitiv nicht unser Plan, nach extrasolaren Planeten zu suchen. Meine Aufgabe war es, eine Software zu schreiben, die aus den Daten des Elodie-Spektrografen am Observatoire de Haute-Provence die Radialgeschwindigkeiten von Sternen berechnet. Unser Ziel war eine Genauigkeit von 50 Metern pro Sekunde. Das genügte, um nach Braunen Zwergen zu suchen, die an einem Stern ziehen, sicher aber nicht für die Suche nach Planeten. Denn die üben viel kleinere Kräfte auf den Stern aus. Als wir das Instrument jedoch im Juni 1993 in Betrieb nahmen, stellten wir fest, dass es viel besser arbeitete als gedacht. Erst da kam uns die Idee, unsere Suche nach Braunen Zwergen auf Riesenplaneten auszudehnen.

 

Zu dieser Zeit suchten bereits eine Handvoll Arbeitsgruppen nach extrasolaren Planeten. Woher kam die Zuversicht, konkurrieren zu können?

 

Michel Mayor: Mit dem Elodie-Instrument konnten wir Radialgeschwindigkeiten von 13 Metern pro Sekunde messen. Das war vergleichbar mit der Empfindlichkeit der besten Instrumente auf der Welt. Unser Instrument war aber effizienter. Der Hauptgrund dafür war die Kreuz-Korrelations-Technik, die ich zusammen mit André Baranne vom Observatoire de Marseille entwickelt hatte. Mit der von Didier geschriebenen Software dauerte es nur wenige Minuten, die Radialgeschwindigkeit des beobachteten Sterns zu berechnen. Das war ein entscheidender Vorteil.

 

Im April 1994 begannen Sie damit, die Geschwindigkeiten von 142 Sternen zu überprüfen. 51 Pegasi war einer davon. Wonach richtete sich Ihre Auswahl?

 

Queloz: Die Kriterien für die Sterne waren mehr oder weniger offensichtlich. Sie mussten hell sein, man musste ihre Entfernung kennen und so weiter. Es gab aber eine weitere Randbedingung. Wir wussten, welche Sterne die Gruppe von Geoffrey Marcy beobachtete, und das teilweise schon seit vielen Jahren. Deshalb ignorierten wir diese Sterne bewusst.

 

Wann stellten Sie fest, dass mit 51 Pegasi etwas nicht stimmte?

Queloz: Das war im November 1994. Ich hatte gerade die dritte Messung gemacht, als ich bemerkte, dass die Radialgeschwindigkeit des Sterns sehr stark variierte. Der Stern verhielt sich völlig anders als andere Sterne. Ich geriet in Panik. Bis zum Ende meines Doktorats waren es nur noch neun Monate. Und in meiner Software schien ein Fehler zu stecken. Zu keinem Zeitpunkt dachte ich, dass ein Planet der Grund sein könnte. Michel war für ein Sabbatical in Hawaii. Ich habe mich zu sehr geschämt, mit ihm über das Problem zu reden. Ich musste selbst herausfinden, was falsch war. Ich verglich 51 Pegasi mit anderen Sternen, ich überprüfte die Position der Sterne und so weiter. Im Januar kam ich dann zu dem Schluss: Was ich sehe, ist nicht falsch, es ist real.

 

Aber Sie wussten immer noch nicht, was es war?

 

Queloz: Als wir mit dem Programm begannen, waren wir überzeugt, dass Riesenplaneten wie Jupiter mehrere Jahre brauchen, um ihren Stern zu umkreisen. Meine Daten ergaben also keinen Sinn. Ich versuchte, die Daten mit einem kurzperiodischen Planeten zu fitten, scheiterte aber, weil ich damals so gut wie nichts über Planeten wusste. Im Februar fand ich dann einen Orbit, der zu passen schien. Als es mir gelang, das Messergebnis des darauffolgenden Tages vorherzusagen, wusste ich, dass da etwas war. Was ich sah, war komplett verrückt. Aber ich hatte genug Vertrauen, um mit Michel Kontakt aufzunehmen. Ich sagte ihm: «Michel, ich glaube, ich habe einen Planeten gefunden.» Seine Antwort war eine grosse Erleichterung für mich: «Warum nicht?»

 

Der Beweis: Die Radialgeschwindigkeit des Sterns 51 Pegasi oszilliert mit einer Periode von 4,2 Tagen. 

Die Periode des Planeten betrug nur 4,2 Tage – viel weniger, als es Theorien der Planetenentstehung

für einen Jupiter-ähnlichen Planeten vorhersagen. Beunruhigte Sie das nicht?

 

Mayor: Natürlich war ich verwirrt. Wir hatten bis Ende Februar nur zwölf Datenpunkte. Etwa zur gleichen Zeit veröffentlichte der Astronom Alan Boss eine Arbeit, in der er argumentierte, die Radialgeschwindigkeits-Methode sei ungeeignet, um Planeten zu finden. Riesenplaneten brauchten Eispartikel, um entstehen zu können. Diese finde man aber nur weit weg vom Stern, wo es kalt genug sei. Die Arbeit erschien just zu dem Zeitpunkt, wo wir einen Riesenplaneten mit einer tausendmal kleineren Umlaufperiode als Jupiter hatten.

 

Sie mussten bis 1995 warten, bis Sie neue Messungen an 51 Pegasi vornehmen konnten. Was taten Sie währenddessen?

Mayor: Ich versuchte Argumente zu finden, um alternative Erklärungen für den Effekt auszuschliessen. So könnte zum Beispiel ein rotierender Stern mit magnetischen Flecken auf seiner Oberfläche eine periodische Veränderung der Radialgeschwindigkeit vortäuschen. Wir hatten gute Argumente gegen diese Erklärungen. Aber der Moment der Wahrheit kam im Juli, als 51 Pegasi erneut sichtbar war. Wir beobachteten, dass der Planet mit der gleichen Amplitude, Periode und Phase wie zuvor auftauchte. Das war nur schwer mit einer magnetischen Aktivität in Einklang zu bringen. Das war der Moment, wo wir uns beeilten, unsere Ergebnisse zu Papier zu bringen.

 

Aber es bestand immer noch das Problem, dass Ihre Ergebnisse dem Dogma der Planetenentstehung widersprachen.

Mayor: Nachdem wir die Ergebnisse bestätigt hatten, nahm ich Kontakt zu meinem früheren Doktoranden Willy Benz auf, der zu jener Zeit Professor in Arizona war. Er war der Erste, dem ich unsere Ergebnisse zeigte. Zunächst lachte er nur. Aber dann fragte er mich, ob er eine E-Mail an Adam Burrows schicken dürfe, einen Experten für die Struktur von Planeten. Er fragte Adam, welches der kürzeste Abstand sei, den ein Planet von seinem Stern haben könne. Adam liess seinen Computer zwei Tage laufen und schickte die folgende Antwort: ‹Ich bekomme keine stabile Lösung, wenn der Abstand kleiner als 0,03 astronomische Einheiten ist.› Unser Objekt hatte einen Abstand von 0,05 astronomischen Einheiten. Also wussten wir, dass die Bahn zumindest stabil ist.Queloz: Am Anfang kümmerten wir uns nicht allzu sehr um die Frage, wie Planeten entstehen. Irgendwann realisierte ich jedoch, wie problematisch unser Befund war. Als wir im Oktober nach Florenz reisten, um unsere Ergebnisse an einer Konferenz vorzustellen, hatte ich einige Panikattacken. Wir hatten eine grosse Entdeckung gemacht, die jedoch von keiner Theorie gestützt wurde. Alles hing von den Radialgeschwindigkeiten ab, die ich berechnet hatte, alles hing von mir ab.

Ich wusste: Wenn ich falsch liege, bin ich erledigt.

 

Herr Queloz, Sie sagten, dass Sie am Anfang nicht viel über Planeten wussten. Half das bei der Entdeckung?

Queloz: Meine Naivität half sicherlich in dem Sinne, dass ich nicht voreingenommen war. Aber viel wichtiger war die Tatsache, dass ich mich verantwortlich für die Qualität der Daten gefühlt habe. Ich hatte drei Jahre Arbeit investiert. Also musste ich herausfinden, was mit diesem Stern los ist. Sie können sich nicht vorstellen, wie glücklich ich war, als die Gruppe von Geoffrey Marcy unsere Ergebnisse bestätigte. Das war das Geschenk meines Lebens.

 

Die Gruppe von Marcy bestätigte nicht nur Ihren Befund. Drei Monate später gab sie die Entdeckung von zwei weiteren Planeten bekannt. Wie sich herausstellte, hatten sich deren Signaturen die ganze Zeit in den Daten verborgen. Wieso wurde das nicht erkannt?

 

Mayor: Das Programm von Geoffrey Marcy und Paul Butler umfasste 65 Sterne. Im August 1994 hatten sie an einer Konferenz in München ein Zwischenergebnis basierend auf 25 Sternen präsentiert. Die Schlussfolgerung lautete: keine Jupiter-ähnlichen Planeten. Als wir dann die Entdeckung von 51 Pegasi b bekanntgaben, hatten die beiden eine schwere Zeit. Amerikanische Journalisten wollten wissen, warum wir schneller waren. Sie mussten eingestehen, dass ihre Computer nicht leistungsfähig genug waren, um alle Daten zu analysieren.

 

War es also nur eine Frage der Datenanalyse?

Mayor: Nicht ganz. Als unsere Arbeit im Dezember in der Zeitschrift «Nature» publiziert wurde , gab es einen Begleitartikel des kanadischen Astronomen Gordon Walker. Er schrieb: «Selbst wenn wir 51 Pegasi beobachtet hätten, hätten wir seinen Planeten nicht erkannt.» Der Grund dafür war, dass Walker nur nach Planeten mit einer Periode von mehr als 40 Tagen suchte.

 

Ihr Vortrag in Florenz wurde von zahlreichen Journalisten verfolgt. Wie hatten die davon Wind bekommen?

Mayor: Eine Woche vor der Konferenz hielt Steven Beckwith, der Direktor des Space Telescope Science Institute, einen Vortrag zu dem Thema. Er nahm mit mir Kontakt auf, weil er gerüchteweise gehört hatte, ich hätte möglicherweise interessante Neuigkeiten. Ich bestätigte ihm das, bat ihn aber, nichts zu erwähnen. Er hielt sich daran. Im letzten Satz seines Vortrags sagte er jedoch. «Wenn Sie mehr wissen wollen, kommen Sie nächste Woche nach Florenz.»

 

Haben Sie mit dem Medienrummel gerechnet, der nach Ihrem Vortrag losbrach?

Queloz: Ich war von dem Hurrikan überwältigt. Unser Labor war für die nächsten Monate komplett ausser Gefecht gesetzt. Darauf waren wir schlicht nicht vorbereitet.

 

Herr Queloz, als Sie 51 Pegasi b entdeckten, waren Sie noch ein Student. War das Ihrer Karriere förderlich oder eher eine Last?

Queloz: Beides gleichzeitig. Natürlich half es, weil es mich bekannt machte. Gleichzeitig wurde es aber auch schwerer für mich. Ich stand am Anfang meiner Karriere und hatte sonst noch nichts Bedeutendes geleistet. Ich musste also vorwärtsschauen und demonstrieren, dass ich ein guter Wissenschafter bin. Für Michel war es viel einfacher. Er erhielt von Anfang an viel Anerkennung. Ich stand lange Zeit in seinem Schatten. Es hat eine ganze Weile gedauert, das zu verdauen. Aber ich habe es überlebt. Heute bin ich gewissermassen ein Dinosaurier auf diesem Arbeitsgebiet.

Aber ich bin immer noch jung.

 

Geniale Menschen - unbegreiflich was es Alles auf dieser Welt? - nein überall. überhaupt gibt.

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